Im Zentrum des Gemeindelebens steht immer noch der gemeinsame Sonntagsgottesdienst. Betrachten wir die einzelnen Momente genauer, entdecken wir vielleicht etwas Neues im altvertrauten Ritual. Wir beginnen am Anfang, mit der Eröffnung des Gottesdiensts.
Wahrnehmen, was ist
Die Kirchentür öffnet den Blick in eine andere Welt. Ganz gleich, ob eine „richtige“ Kirche sich auftut oder ein multifunktionales Gemeindezentrum (nun ja, ganz „gleich“ ist es nicht, aber dennoch): Es öffnet sich ein anderer Raum, einer, in dem es nichts zu erreichen gibt, außer Einklang mit mir und den Dingen.
Der Blick fällt auf den Altartisch, die aufgeschlagene Bibel, das Kreuz und das einfallende Licht. In den Bänken oder Stuhlreihen finde ich meinen Platz. Anders anfangen. Viele, die den Gottesdienstraum betreten, bleiben für einen Moment stehen, bevor sie sich setzen.
Wahrnehmen, was ist: Mich selbst, den geöffneten Raum für geschenkte Zeit. Bewusst werden, was und wen ich mitbringe in diese umgrenzte Welt mitten in der Welt.
Bekenntnis und Klang
Der Gottesdienst beginnt mit dem Orgelvorspiel. Ganz gleich, wie groß oder wie klein das Instrument ist (nun, ganz „gleich“ ist auch das nicht, aber dennoch): Ich darf mich von den Klängen mitnehmen lassen in den Raum, der sich öffnet. Zweckfrei, allein vom Orgelklang getragen, gelangt etwas an mein Herz, das mich still werden lässt.
Draußen bleibt, was mich draußen bewegt und beschäftigt. Alles erhält seinen Platz, sortiert sich, bekommt seinen Ort auf meinem Lebensweg wie die Töne in der Tonfolge. Dieser Raum gehört nicht mir, der Platz ist nicht meiner, diese Zeit bestimme ich nicht selbst und ihre Inhalte sind lange vorgeprägt.
Und doch ist alles für mich bestimmt: „Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott steht am Anfang und macht deutlich: Gottesdienst heißt, dass Gott uns dient – Er, der sich als Schöpfer, in Christus und als Geist des Lebens offenbart.
Achtsam und dankbar
„Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn …“ – „… der Himmel und Erde gemacht hat“, antwortet die Gemeinde und zitiert dabei Psalm 124, 8. Mit diesem Wort beginnt Gottes Versuch, uns zu erreichen. Nicht uns gehört diese Zeit, sondern ihm.
Weil sie aber ihm gehört, ist sie ganz für mich, diese gute Stunde, in der das, was geschieht, in mir ein Echo finden und mitgenommen, meins werden darf. Der Wochenspruch, oft nur ein Vers aus der Bibel, passt zum Ort im Kirchenjahr und nimmt das Thema des Predigttextes auf, ein kurzer Impuls nur.
Seltsam genug, oft hat er etwas mit mir zu tun, spricht mich an, weist eine Richtung für mein Leben. Es ist gut, hier zu sein. Geht das nicht auch draußen, dieses „Anders anfangen“? Kann ich nicht auch sonst Dinge achtsamer und dankbarer beginnen?
(Übrigens, die Artikelreihe „Der Weg durch den Gottesdienst“ gibt es auch für katholische Christen, ein Blick dorthin kann sich lohnen, um den eigenen Horizont zu erweitern)
*
Inzwischen sind alle Teile unserer Reihe “Der Weg durch den Gottesdienst” (evangelisch) erschienen. Zur besseren Übersicht finden Sie die komplette Reihe unter diesem Artikel verlinkt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal
Beiträge passend zum Thema
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Die Eröffnung – Anders anfangen
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Kyrie und Gloria – Himmelwärts beten
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Das Psalmgebet – Geliehene Worte
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Credo – Bekennen meint auch: Kennen
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Die Schriftlesungen – Der Glaube kommt vom hören
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Die Predigt – Kurz und gut
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Die Lieder – Töne mit Tiefgang
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Abendmahl – Einladung in die Gegenwart
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Sanctus und Agnus Dei – Wessen Opfer?
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Fürbitten und Vaterunser – Ich, Du, die Welt und Gott
- Der Weg durch den Gottesdienst (evangelisch): Der Segen – Für draußen