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Gott im Alltag – Walentyn und sein Dienst am Volk

© Michael Tillmann

Ich erzähle die Geschichte von Walentyn Dudkin, 80 Jahre (nach ntv.de). In seinem Dorf in der Ostukraine leistet er seine eigene Form von Widerstand.

Nationalhymne auf der Posaune

Um 9.00 Uhr morgens geht Walentyn zum Dienst. Er ist 80 Jahre alt und hat sich diesen Dienst selbst auferlegt. Bei jedem Wetter. Er holt seine Posaune aus dem Schrank. Dann gehen seine Frau und er in ihren kleinen Garten hinter dem Haus. Dort warten schon Nachbarn aus dem Dorf. Mal sind es zwei, mal sechs Menschen. Sie entrollen die ukrainische Flagge. Und Walentyn beginnt seinen Dienst.  

30 Jahre hatte er nicht mehr gespielt. Aber seit dem Überfall Russlands auf sein Land fühlt er eine Pflicht. Walentyn spielt die Nationalhymne der Ukraine auf seiner Posaune. „Noch ist die Ukraine nicht verloren“, heißt die Hymne. Ein paar singen leise mit. Etwas lauter singen sie dann noch ein Volkslied. Es heißt: „Die ruhmreiche Ukraine soll wieder aufgerichtet werden“. Das Lied des Widerstandes.

Nach ein paar Minuten ist der Dienst vorbei. Walentyn ist zufrieden. Heute hat es geregnet. Das macht aber nichts. Mit großem Ernst hat er seinen Dienst am Volk getan. Täglich um neun Uhr. Auf die Sekunde. Die Ostukraine darf niemals russisch werden. Darum ist es wichtig, findet Walentyn, dass am Morgen die richtige Hymne erklingt.

Schlagartig verändert

Walentyn war früher Orchesterleiter. Er ist schon lange im Ruhestand. In seinem Dorf hatten sie damals gehört, dass sie angeblich zu Russland gehören. So hatte es Putin gesagt. Da haben sie noch gedacht: soll er doch reden.

Der Überfall Russlands am 24. Februar 2022 hat alles verändert. Schlagartig. Verändert hat er die Herzen und Seelen der Menschen im Dorf. Und gebracht hat der Überfall den Willen zum Widerstand und die eiserne Überzeugung, dass Russland niemals gewinnen wird. Sie hatten mal Freundschaften zu Russen in Nachbardörfern. Seit dem Tag des Überfalls nicht mehr. Jetzt sind die Russen auch weg.

Wir müssen zusammenhalten

Walentyn und seine Frau gehen wieder ins Haus. Die anderen gehen in ihr Zuhause. Die Flagge haben sie sorgfältig zusammengelegt. Morgen werden sie alles wieder so machen wie heute. Es ist ihre Pflicht. Darüber reden sie nicht. Sie tun es. Sogar Menschen im Dorf, die sich anfangs  beschwert hatten über die frühe Musik, öffnen heute die Fenster, wenn die Hymne erklingt. Wir müssen zusammenhalten, denken sie. Niemals werden wir uns dem Feind beugen. Auch das müssen sie nicht sagen. Es ist in ihren Herzen. Wie auch der feste Glaube, dass Gott ihnen beisteht. Gott ist gerecht, sagen sie. Er wird uns nicht unseren Feinden ausliefern.

Einer liegt ihnen bei ihrem täglichen Widerstand besonders am Herzen. Andrjuscha, der zweijährige Enkel Walentyns. Er soll heute schon fühlen, was Heimat bedeutet. Jeden Morgen weckt Andrjuscha seine Oma, damit sie die Musik nicht verpassen. „Ruhm der Ukraine“ werden sie singen. Und dabei hoffen, dass Gott im Himmel mit ihnen summt.

Mit freundlichen Grüßen

Pfarrer Michael Becker

Pfarrer im Rundfunk und Herausgeber der WERKSTATT für Liturgie und Predigt im Bergmoser & Höller Verlag.
Autor Pfarrer Becker
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