Im Zentrum des Gemeindelebens steht immer noch der gemeinsame Sonntagsgottesdienst. Betrachten wir die einzelnen Momente genauer, entdecken wir vielleicht etwas Neues im altvertrauten Ritual. Im Psalmgebet finden wir Vorlagen, um Dinge anzusprechen, die wir selbst nicht in Worte fassen können.
Schatztruhe voller Bilder
Man kann ihn manchmal einfach schwer finden, den passenden Satz – alles scheint entweder übertrieben oder zu blass oder verfehlt. Für solche Lagen gibt es Psalmen. Ihre Verse bieten seit Jahrtausenden eine Schatztruhe voller Bilder und Bitten. Für jede Situation gibt es Formulierungshilfen. Der bekannte Psalm 23 etwa nimmt mit auf eine sommerliche Weide: „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ Der Psalm 139 entführt ans Meer „Und nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich halten und deine Rechte mich führen.“ Aber die Psalmen geben auch zu, was man ungern eingesteht: Es gibt „Feinde“, sogar mehrere – und man braucht Gottes Beistand gegen sie.
Von Gott vergessen
Wer würde in eigenen Worten sagen, was Psalm 42,10 betet: „Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mich vergessen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget?“ Der Lobpreis von Gottes Schöpfung ist im Psalter ebenso zu finden wie angstvolle Stoßseufzer vor schweren Prüfungen oder Dankgebete für kaum noch erhoffte Errettung. In ihnen findet sich auch das bittere Flehen, dass man sich von Gott vergessen fühlt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus selbst nahm in seiner Sterbestunde am Kreuz Zuflucht zu diesem Psalm; „Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“ (Psalm 22,2f)
Ein anderes „Ich“
Die Psalmen bieten dem suchenden Ich ein anderes „Ich“. Man kann sich in ihnen im doppelten Sinn des Wortes wiederfinden: Wer sich verloren sieht, wird sich in dieser Lage in ihren Versen ebenso antreffen wie der, der sich allein fühlt mit seiner Not. Die Psalmen haben im Gottesdienst ihren festen Platz im Eingangsteil des Gottesdienstes. Früher wurden sie, wie die meisten Teile der Messe und des Gottesdienstes, gesungen – „psalmodiert“. Traditionell mündet der Psalm in das „Gloria Patri“, das als Lob Gottes das Bekenntnis zu seiner Dreieinigkeit entfaltet. Das Psalmgebet leiht Worte, öffnet Räume und spricht aus, was auch immer bewegt.
(Übrigens, die Artikelreihe „Der Weg durch den Gottesdienst“ gibt es auch für katholische Christen, ein Blick dorthin kann sich lohnen, um den eigenen Horizont zu erweitern)
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal