Gedanken zum Theaterstück „Regen“ von Ferdinand von Schirach, das am 10. Oktober in Berlin Premiere feiert.
Es geht auch um Liebe
Ab dem 10. Oktober steht er auf der Bühne: der Schriftsteller und ehemalige Strafverteidiger Ferdinand von Schirach. Mit einem Ein-Personen-Stück, das er selber geschrieben hat. Es heißt „Regen. Eine Liebeserklärung.“ Im nächsten halben Jahr wird er es auf Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz dreißigmal spielen.
Im Stück geht es um einen Mann, der vom Regen nicht nur vollkommen durchnässt ist und sich in eine Bar geflüchtet hat – er ist auch seines Lebens überdrüssig. Das Leben bietet ihm nichts mehr. Er sagt: „Es gibt Schläge, von denen man sich nicht mehr erholt … man kann sein Leben nicht mehr zusammensetzen.“ Darüber redet der Mann viel. Aber es geht ihm nicht nur um Regen und Nässe und um das gelegentliche Elend des Lebens. Es geht auch um Liebe.
Erst zum Schluss, als der Mann zwei kleine Liebesgeschichten aus seinem Leben andeutet, sagt er den Satz, der ihm das Leben bewahrt und auch lebenswert macht: „Ein Mensch spiegelt sich in einem anderen Menschen.“
Menschen brauchen Menschen
Der Dichter Ferdinand von Schirach, 59 Jahre alt, ist in den letzten Jahren weltberühmt geworden mit seinen Erzählungen, Romanen und Theaterstücken. Und er ist schwermütig und zurückgezogen. Nur wenn er Bücher oder Theaterstücke bekannt machen wollte, hat er Interviews gegeben. Er selber hält sich mit Privatem bedeckt. Von sich sagt er: „Bei mir waren es nur zwei oder drei Jahre, in denen alles stimmte. Ich habe viel zu viele Fehler gemacht.“
Sein Satz über die Liebe bleibt aber wahr: Ein Mensch spiegelt sich in einem anderen Menschen. Darin liegt der Sinn des Lebens. Auch menschenscheue Menschen brauchen Menschen, hin und wieder. Sie nehmen am Leben Teil und begegnen anderen; begegnen ihnen hoffentlich freundlich, manchmal vielleicht liebenswürdig.
Ein Spiegel für mich
Wir sind nichts ohne andere. Wie wir ihnen begegnen, darin liegt ein Teil unseres Glücks. Jesus begegnete anderen Menschen mit offenen Sinnen; interessiert, zuhörend und immer auch mitfühlend. Was man anderen Gutes tut, tut einem selber oft auch gut. Wer sich anderen zuwendet, ist auch mit sich selber achtsam. Jesus hat es „Reich Gottes“ genannt, das Reich der Liebe und der Zuwendung.
Das schafft man nicht jeden Tag. Die Seele braucht auch Rückzüge, wenn sie sich erholen will. Vor allem aber braucht unsere Seele die Sinne und das Interesse anderer – und die Sinne für andere. Das belebt uns. Wenn andere wie ein Spiegel für mich sind, bleibe ich lebendig.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Michael Becker

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