Wenn wir auf Weihnachten schauen, sehen wir natürlich Maria und Josef, den Stall im Bethlehem vor uns. Doch der Evangelist Markus lässt sein Evangelium mit dem Auftreten Johannes des Täufers beginnen. Was sollen wir denn damit?
Gedanken zum Zweiten Advent
„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“ So fängt der Evangelist Markus tatsächlich sein Evangelium an. Doch das ist nicht unser Anfang; unser Anfang heißt Maria und Josef, heißt Stall und Hirten, heißt: das Kind in der Krippe – nicht der erwachsene Johannes der Täufer, nicht sein Ruf zu Umkehr und Buße. Betrügt uns der Evangelist nicht geradezu um die Weihnachtsgeschichte, um Geschichten, die mit zu den schönsten und bekanntesten des ganzen Neuen Testaments zählen?
Keineswegs. Was Sie vielleicht als Fehler betrachten, schnoddrige Vergesslichkeit eines vielleicht alt werdenden Evangelisten, ist vielmehr ein wertvoller Hinweis, ein Geschenk. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, auch ich liebe die Weihnachtsgeschichten und freue mich darauf, sie in zwei Wochen wieder zu hören, doch sie bergen eine Gefahr:
Das Kind wachsen lassen
Dass wir das Kind in der Krippe Kind sein lassen, dass wir Weihnachten alle Jahre wieder als Kindergeburtstag feiern, doch das Kind in der Krippe will wachsen, will nicht „alle Jahre wieder“ nur Kind sein. Deshalb begegnen wir im Advent dem erwachsenen Johannes den Täufer, der nicht das Kommen eines Kindes ankündigt, sondern der Vorläufer des erwachsenen Jesus ist. Des Jesus, der uns viel mehr zu sagen hat als das Kind in der Krippe. Und deshalb lohnt es sich auch Johannes dem Täufer zuzuhören: „Bereitet dem Herrn den Weg.“
Das hört sich zunächst nach einer Überforderung an. Was sollen wir denn noch alles tun in diesen doch so vollen und oft hektischen Adventstagen? Deshalb bin ich mit der Übersetzung dieses Satzes auch nicht so glücklich. Ich lese ihn noch einmal nach und stelle fest, dass es – genauer übersetzt – heißt: „Bereitet den Weg des Herrn!“ Das klingt ähnlich, heißt aber doch: Der Weg ist da. Und: Es ist der Weg des Herrn. Der ist bereits auf dem Weg, auf seinem Weg.
Offenbar muss der Weg gar nicht erst geschaffen werden. Ich muss den Weg gar nicht suchen, mehr noch: ich muss ihn gar nicht gehen, diesen Weg; denn der Herr geht ihn, der Herr kommt. Das ist für mich eine ungeheure Entlastung. Ich muss nicht dies oder das erst leisten, denn Gott ist schon auf dem Weg. Das hilft auch, manches in diesen Tagen gelassener zu sehen. Es muss nicht das perfekte Fest sein – das gibt es sowieso nicht – Gott kommt auf seinem Weg zu uns.
Auf den Weg machen
Doch das heißt jetzt im Umkehrschluss nicht, die Hände in den Schoss zu legen. Denn Johannes sagt im Evangelium noch einen zweiten Satz: „Ebnet ihm die Straßen!“ Das heißt nicht, dass wir die Straße bauen müssen, auf der der Herr kommt – die ist schon da – doch es scheint Hindernisse zu geben. Vielleicht Barrieren, die wir selbst aufbauen. Was könnte das sein? Und weiter heißt es im Evangelium: „Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm herauf.“
Nun, die Leute damals mussten sich schon auf den Weg machen zu Johannes dem Täufer, aus der Stadt durch die Wüste bis hinunter ins Jordantal. Ohne diesen eigenen Schritt – das gilt auch für uns – läuft gar nichts. Gott überfällt uns nicht; er kommt nicht, ohne dass wir einen Schritt auf ihn zu machen. Aber eben nur einen Schritt: Anderes mal beiseitelegen. Sich Zeit lassen. Zeit nehmen. Den Gedanken eine andere Ausrichtung geben. Sich anstoßen lassen von den Worten der Bibel. Dadurch auf den Weg stoßen; denn der Herr kommt. Bereit sein für ihn.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Tillmann
Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.
