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Was Erlösung NICHT ist

© Brigitte Heidemann

Christus hat uns durch seinen Tod am Kreuz von der Sünde erlöst. So heißt es. Aber was heißt das eigentlich? Dieser kurze Satz enthält so viele Vorannahmen und Glaubenssätze, dass er für sich selbst stehend gar nicht verstanden werden kann. Daher ein Versuch der Annäherung, zunächst damit, was Erlösung NICHT ist.

Keine bessere Welt

Dass mit der Erlösung keine bessere Welt anbricht, bringt die Theologen in eine schwierige Lage. Sollen sie den Menschen sagen: Ihr seid erlöst, aber man merkt nichts davon? Daher haben sie sich die Köpfe zerbrochen, schon im Mittelalter. Und sie haben eine Theorie ausgedacht, die für mehrere hundert Jahre die kirchliche Auffassung von der Erlösung prägte. Vergröbert sieht die so aus: Gott hat den Menschen als sein Ebenbild, nämlich verständig und frei geschaffen. Aber dann wollte er dessen Freiheit zügeln. Er hat also Gebote erlassen. Aber die Menschen haben sich nie an die Gebote gehalten, haben gemordet, gelogen, gestohlen, die Ehe gebrochen. Weil sie damit jedoch die Anweisungen Gottes übertreten, ist er beleidigt. Die Sünde ist also eine Beleidigung Gottes. Die muss wieder gut gemacht werden, gesühnt werden.

Wie beim Duell

Da tritt nun, wahrscheinlich aus germanisch-fränkischem Denken heraus, eine merkwürdige Idee auf den Plan und wird für diese Erlösungstheologie bestimmend. Sie besagt: Eine Beleidigung kann nur wieder gut gemacht werden, wenn ein Satisfaktionsfähiger auftritt und mit seinem Blut dafür einsteht und sie abbüßt. Eine späte Ausprägung dieses Denkens findet sich noch mindestens bis zum ersten Weltkrieg im Duell. Wenn etwa ein Offizier sich beleidigt fühlte, musste er dem Beleidiger eine Forderung zum Duell schicken, und dann ist man im Morgengrauen mit Säbel oder Pistole aufeinander losgegangen, und wenn er dem anderen die Nase abgehauen oder ihn durchlöchert hat, dann war die Beleidigung gesühnt. Aber nach dieser Auffassung konnte nicht jeder Handwerksbursche kommen und sich zum Duell stellen.

Satisfaktionsfähig

Der Gegner musste standesgleich sein, eben satisfaktionsfähig, also gleichfalls von Adel oder Offizier. Diese Sicht hat man nun auf Gott übertragen. Der war durch die Sünde beleidigt und hat vom Himmel her nach einem Ausschau gehalten, der satisfaktionsfähig wäre. Aber natürlich fand sich unter den erbärmlichen Menschen kein standesgemäßer Partner. Der einzige Ausweg lag darin, dass sein eigener Sohn Mensch wurde. Damit war endlich ein Satisfaktionsfähiger gefunden. Und dadurch, dass dann dieser Sohn am Kreuz hingerichtet und so als Sühneopfer dargebracht wurde, war die Beleidigung der Sünde wie bei einem Duell im Blut gesühnt. Darin also läge die Erlösung. So verbreitet diese Auffassung in der Kirche war, so stellt sie dennoch eine Anhäufung von Schiefheiten und Irrlehren dar. Daher muss die zweite negative Antwort heißen: Auch in der so dargelegten Wiedergutmachung einer Beleidigung Gottes besteht die Erlösung nicht.

Schiefheit

Was ist alles an dieser Meinung schief und irrig? Die erste Schiefheit, die sich allerdings selbst in kirchlichen Aussagen findet, liegt in der Annahme, die Sünde sei eine Beleidigung Gottes. Mich hat einmal ein Betrunkener, der mich als Geistlichen erkannte, angepöbelt, indem er mir „Saupfaff, dreckiger“ zurief. Er hat versucht, mich zu beleidigen. Aber ich war keineswegs beleidigt. Wie sollte mich ein Saufbold beleidigen können? Und wir bilden uns ein, der allmächtige Gott, himmelhoch über jeden Menschen erhaben, unendlich weiter als das größte Genie über den verkommensten Säufer, der könne von uns beleidigt werden? 

Diese Annahme verrät Größenwahn. Sie wird daher schon im Buch Hiob zurückgewiesen. Da meint Hiob nämlich, Gott schlage ihn, obwohl er schuldlos sei. Der übe also zu Unrecht Vergeltung. Damit unterstellt er, Gott werde getroffen, wenn Menschen Böses tun. Das aber wird nun – eben mit dem Hinweis auf den unermesslichen Abstand zwischen Gott und den Menschen – mit folgenden Worten widerlegt: „Schau den Himmel an und sieh, blick zu den Wolken auf hoch über dir! Wenn du gesündigt hast, was tust du ihm, sind zahlreich deine Frevel, was schadest du ihm? Tust du Recht, was gibst du ihm, oder was empfängt er aus deiner Hand? Menschen wie dich trifft dein Frevel, dein Gerechtsein nur die Menschenkinder.“

Verworren und unbefriedigend

Schlimmer jedoch ist eine zweite Verkehrtheit in dieser Erlösungstheorie: Sie verrät, dass ihre Vertreter einem Drei-Gott-Glauben nahe stehen. Die Dreifaltigkeit wird missverstanden, als ob wir drei Götter hätten. Einen Vater im Himmel, einen anderen, der als dessen Sohn auf die Welt gekommen ist, und dann noch den Heiligen Geist. Das verstößt gegen eine Grundwahrheit auch des christlichen Glaubens. Wir glauben an den einen Gott und nicht an drei. Vielleicht wird das Missverständnis dadurch gefördert, dass wir von drei Personen reden, als ob jede unabhängig für sich vorkäme. (H. Blumenberg in „Matthäuspassion“ (1998) wirft etwa Gott Vater vor, den Sohn so hängen zu lassen.)

Wir glauben an einen einzigen Gott, der dreifach eigenständig existiert. Wenn man diesen Gott beleidigen konnte, dann eben dann, als er als das Wort Gottes Mensch geworden ist. Da war er in unserer Reichweite. Da hat man ihn verhöhnt und ihm ins Gesicht gespuckt, bevor man ihn kreuzigte. Damit wird doch wohl keineswegs eine Beleidigung Gottes durch die Sünde wiedergutgemacht, sondern hier erst wird er, selbst Mensch geworden, beleidigt.

Als Drittes wäre an dieser Erlösungsauffassung zu bemängeln, dass sie nicht erklärt, wieso eigentlich durch die Erlösung die Sünde weggenommen ist. Wenn Gott versöhnt ist, sind dann die Menschen gut? Wenn Gott nicht mehr beleidigt ist, ist dann deren Bosheit weg? Das wird so wenig ersichtlich, wie, dass man weiter an einer Strafe für Sünden und an Hölle glauben kann. Diese Auslegung der Erlösung scheint also ziemlich verworren und unbefriedigend, selbst wenn sie sich über achthundert Jahre lang gehalten hat.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal

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