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Den Sonntag im Blick – Markt- oder Kirchstraße?

© Michael Tillmann

Zum Verhältnis von Glauben und Geld: Gedanken zum Evangelium von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel

Ein Stein des Anstoßes

„Wir könnten unsere goldenen und silbernen Bischofskreuze dem Papst zu Füßen legen und dafür Kreuze aus Bronze oder Holz in Empfang nehmen, als Zeichen für den Entschluss, einen einfachen Lebensstil nach dem Evangelium anzunehmen … Die Pracht des Vatikans ist ein Stein des Anstoßes.“ Diesen Vorschlag machte der brasilianische Bischof Dom Helder Camara – der vor 115 Jahren am 7. Februar 1909 geboren wurde – für die Abschlusszeremonie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und an anderer Stelle schrieb er: „Sollten wir so entfremdet sein, dass wir uns den Luxus leisten, Gott in der Bequemlichkeit müßiger Stunden, in luxuriösen Kirchen, in pompösen, aber oft leeren Gotteshäusern zu suchen, und ihn nicht dort zu sehen und zu hören, wo er wirklich ist und uns erwartet und unsere Präsenz fordert: in der Menschheit, in den Armen, in den Unterdrückten, in den Opfern der Ungerechtigkeit, für die wir alle nur allzu oft mitschuldig sind?“ Diese Worte unterstreichen die ernste Mahnung, die das Evangelium von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel bis heute enthalten.

Gottwerdung des Geldes

Angesichts einer sehr hohen Inflation und der Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate, was sich der Staat noch leisten kann und was er finanzieren muss, möchte ich im Evangelium eine andere Anfrage sehen: Welchen Stellenwert hat das Geld? Was bedeutet es uns? Zahlungsmittel, notwendig, nützlich, mehr aber auch nicht oder hat es quasi religiöse Bedeutung gewonnen? Eine Frage, die gar nicht so modern ist. Schon Heinrich Heine sah das Problem nicht in der Geldwerdung Gottes, sondern in der Gottwerdung des Geldes. Wohin führt die Marktstraße, wohin die Kirchstraße? Was bedeutet der quasireligiöse Glaube an die Selbstheilungskräfte des Marktes, die Ehrfurcht vor der Entwicklung der Börsenkurse? Noch einmal Heinrich Heine: „Der Kaufmann hat in der ganzen Welt dieselbe Religion. Sein Komptoir ist seine Kirche, sein Schreibpult ist sein Betstuhl, sein Memorial ist seine Bibel, sein Warenlager ist sein Allerheiligstes, die Börsenglocke ist seine Betglocke, sein Gold ist sein Gott, der Credit ist sein Glauben.“

Als zu Beginn der Finanzkrise 2007 in wenigen Tagen rund 1,4 Billionen Dollar einfach verschwanden, zeigte sich, dass Geld oftmals nur eine Illusion ist. Doch wie konnte eine Illusion so Welt bestimmend werden? Weil wir an sie geglaubt haben, weil sie für viele Menschen lebensbestimmend wurde. „Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in bar“, sang Marius Müller-Westernhagen vor fast 50 Jahren und sprach vielen Menschen damit aus dem Herzen. Geld schien verlässlich.

Gott vertrauen

Das Evangelium von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel mahnt uns, nicht den falschen Dingen, sondern Gott zu vertrauen. Und erinnert uns daran, dass der Glaube an ihn keine Frage der finanziellen Möglichkeiten ist. Denn das war ja nicht irgendein Trödel- oder Wochenmarkt, der im Tempel in Jerusalem stattfand. Pilger konnten dort ihr Geld gegen – eigentlich nicht mehr übliche – Münzen für die Tempelsteuer tauschen und Tiere für ihre Opfer kaufen. So gesehen dienten die Händler dem Erhalt des Kultes, der Religionsausübung. Ich glaube, es war jedoch genau das, was Jesus so in Wut versetzte. Ein gewisser materieller Wohlstand war nötig zum „korrekten“ Religionsleben. Eine Vorstellung, die Jesus nicht akzeptieren wollte.

Markt- oder Kirchstraße – wir sind vor die Entscheidung gestellt, auf wen oder was wir unser Leben bauen wollen, wem oder was wir vertrauen? Auf das, was ich zählen und auf die Bank tragen kann und trotz aller Finanzkrisen recht sicher ist? Oder auf Jesus, der am Kreuz gestorben ist und dessen Auferstehung keiner wirtschaftlichen Bilanz standhalten könnte? Die Fastenzeit ist eine Kreuzung, die uns vor diese Entscheidung stellt. Eine Entscheidung, der wir nicht ausweichen können, einen Mittelweg gibt es nicht. Eine Entscheidung mit Konsequenzen: Wo investiere ich? Und mit Folgen: Wo werde ich reicher? Welchen Reichtum möchte in meinem Leben erlangen?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Tillmann

Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.

Autor Michael Tillmann

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