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Gott im Alltag – Warum Sorgen wertvoll sind

„Am Meer“ heißt ein vor kurzem erschienenes Buch der US-Amerikanerin Elizabeth Strout (geb. 1956). Darin erzählt sie, warum das Sorgen umeinander wertvoll ist.

Ein ganzes Jahr

„Man kann bitter werden, oder man wächst“. So steht es am Ende im neuen Buch der US-amerikanischen Schriftstellerin Elizabeth Strout. „Am Meer“ heißt der Roman. Es geht aber nicht um einen Ausflug ans Meer, sondern um eine Flucht.

Eines Tages, im März 2020, erhält Lucy einen Anruf von ihrem ehemaligen Mann. Der sagt ihr: Wir müssen New York sofort verlassen. Als Wissenschaftler weiß er, was das neue Virus bedeutet und mit Menschen machen wird. Innerhalb von 24 Stunden verlassen sie die Metropole und fahren in ein gemietetes Haus am Meer. Dort wollen sie vier Wochen bleiben; es wird aber ein ganzes Jahr. Ein Jahr voller Sorge um Menschen, um ihre Kinder und Freunde. Es wird viel telefoniert. Manchmal trifft man sich, trägt Maske und hält großen Abstand.

Ganz allmählich dämmert es Lucy und ihrem ehemaligen Mann, was die Pandemie wirklich bedeutet. Während sie am Meer aufeinander angewiesen sind, lernen sie sich noch einmal neu und anders kennen

Sorge um Menschen

Der Roman wird von Sorgen beherrscht, der Sorge um Menschen. Zugleich erinnern sich Lucy und ihr Mann an ihre Ehezeit, auch an ihre jeweilige Kindheit. Beide haben jetzt viel Zeit, zu sich zu kommen. Auch das Leben ihrer zwei Töchter sehen sie jetzt genauer und ernster. Als deren Leben zu scheitern droht, können die Eltern besser auf sie hören und den Töchtern beistehen. Man darf nicht nur mit dem eigenen Kopf denken, heißt es. Man muss auch versuchen, in den Kopf anderer zu kommen. Vielleicht versteht man sie dann besser.

Bei aller Sorge bleibt ihnen zuletzt aber die Erkenntnis: „Man kann bitter werden, oder man wächst“.

Wer sich kümmert, verkümmert nicht

Sorgen können schlimm sein, auch lästig. In diesem Roman aber werden sie dargestellt als das, was sie auch oft sind: Sie halten uns lebendig. Sie sind wertvoll, weil sie Menschen helfen, sich umeinander zu kümmern. Und wer sich kümmert, verkümmert nicht.

Als Jesus von der Sorge im Leben spricht (Matthäus 6,25-34) und sagt: Sorgt euch nicht um euer Leben, will er uns nicht sorglos oder gar leichtsinnig machen. Er möchte uns helfen, den wirklichen Wert der Sorge zu erkennen: Wer sich um andere sorgt, erhält dann einen besseren Blick auf sich selber. Die Sorgen der anderen gehen mich etwas an. Und helfen mir beim eigenen Leben. Im besten Fall machen sie mich bescheidener und lassen meine Ansprüche ans Leben geringer werden – dafür mein Leben dann aber auch tiefer und zufriedener.

Ein immer mehr Wollen macht nicht reich. Der wahre Reichtum im Leben ist das Füreinander da sein. Es verhindert, dass wir bitter werden – und lässt uns menschlich wachsen.

Mit freundlichen Grüßen

Pfarrer Michael Becker

Pfarrer im Rundfunk und Herausgeber der WERKSTATT für Liturgie und Predigt im Bergmoser & Höller Verlag.
Autor Pfarrer Becker
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