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Den Sonntag im Blick – Das Kreuz und die Nachfolge

© Michael Tillmann

Gedanken über das Evangelium Johannes 12,20-33 am fünften Fastensonntag

Nachfolge

Das Evangelium Johannes 12,20-33 erzählt uns ein Beispiel scheinbar misslungener Kommunikation. Einige Griechen, wahrscheinlich hellenistische Juden, wollen Jesus sehen. Vielleicht hatten sie von der Auferweckung des Lazarus gehört, vielleicht waren sie Zeugen des Einzugs Jesu in Jerusalem gewesen, von der der Evangelist Johannes vor der oben genannten Textstelle berichtet. Sie wenden sich an den Jünger mit dem griechischen Namen, Philippus, und dieser führt sie zusammen mit Andreas zu Jesus. Doch Jesu Reaktion auf „seinen Besuch“ ist schroff, fast abweisend. Ohne näher auf sie einzugehen, verweist Jesus auf seinen nahenden Tod, denn er mit dem Gleichnis vom Weizenkorn theologisch erklärt. Und fordert von den Anwesenden, auch von denen, die ihn „nur“ sehen wollten, in der Nachfolge das eigene Leben gering zu achten, um das ewige Leben zu bewahren.

Dann scheint erneut ein Bruch zu folgen. Jesus bricht die Kommunikation mit den Anwesenden ab und wendet sich an seinen Vater im Himmel. Gut, dass uns überliefert ist, was Jesus zu seinem Vater sagt. Er bezeugt, dass das Leben nicht durch Versicherungen bewahrt wird, sondern durch Vertrauen. Denn jedes Leben braucht Vertrauen. Und Jesus lädt dazu ein, dem Vater so zu vertrauen, wie Jesus selber es tut. So zu vertrauen, dass man sein Leben geringachtet, um es zu bewahren. Doch die Anwesenden verstehen das Zwiegespräch zwischen Jesus und Gottvater nicht. Dennoch knüpft Jesus daran an, als er sich erneut an die Anwesenden wendet. Noch einmal wird sein Ton zunächst etwas schroffer; Jesus spricht vom Gericht über die Welt und davon, dass die Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und dann kommt ein nicht so einfach verstehender Satz: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“

Kluft zwischen Erde und Himmel

Dieser Satz erinnert mich an ein Bild des Künstlers Oskar Kokoschka. Der ließ im Jahr 1945 in den Londoner U-Bahnen ein Plakat anbringen. Darauf zu sehen war ein Christus, der sich vom Kreuz herabbeugt und einer Schar von Kindern seine Hand hinhält. Eines berührt mit dem Mund seine Hand. „In Erinnerung an die Kinder Europas, die an Kälte und Hunger sterben müssen“ war auf dem Kreuz in englischer Sprache zu lesen.  Jesus beugt sich zu den Leidenden herab; gerade für sie stirbt er am Kreuz. Damit niemand mehr im Leid, selbst im Tod allein ist, geht Gott in Christus ins Leid und in den Tod. Seit Jesus am Kreuz starb und uns zu sich herangezogen hat, gibt es keinen von Gott verlassenen, keinen gottverlassenen Ort mehr.

Seine Liebe überwindet die Kluft zwischen Erde und Himmel, weil sich Jesus in den größten und unvermeidlichsten Abgrund des Lebens, den Tod, stürzt. Das ist das Thema des Karfreitags, auf den wir heute schon einen Blick werfen. Jesus stürzt sich in den Abgrund des Todes. Dennoch bleibt das Kreuz auch in unserer Zeit „ein Zeichen des Widerspruchs und des Anstoßes. Nur wer es vom „anderen Ende“ her betrachtet, nämlich vom Glauben an die Auferstehung, vermag in ihm ein Zeichen der Hoffnung und des Trostes zu sehen.“ (Josef Dirnbeck).

Liebe hilft, Abgründe zu überwinden

Weil Jesus sich in seiner Liebe am Karfreitag in den Abgrund des Todes stürzt, füllt Gott am Ostermorgen diesen Abgrund auf, überwindet ihn, macht ihn für uns Menschen passierbar, überquerbar. Gott lässt das Leid zu, er lässt das Kreuz im Leben, damit wir die Abgründe erkennen, vor denen Menschen stehen. Damit wir mit unserer Liebe helfen, die Abgründe zu überqueren. Damit wir – wenn nötig – uns mit der Liebe in diese Abgründe stürzen, damit Gott sie ausfüllen, sie überwinden kann: „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.“

Mit freundlichen Grüßen

Michael Tillmann

Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.

Autor Michael Tillmann
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