Ein Grabmal auf dem Aachener Ostfriedhof erzählt eine Ostergeschichte.
Ein steinernes Zeugnis
Ein schlichter Grabstein, auf dem der Verstorbene und/oder die Angehörigen ihrem Glauben Ausdruck verliehen haben: „Credo in vitam aeternam – ich glaube an das ewige Leben.“
Schön, wenn Christen in diesem Glauben sterben und wenn Angehörige Menschen in diesem Glauben bestatten. Da hat die Botschaft des Ostermorgens „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaft auferstanden“ fast zweitausend Jahre später ein steinernes Zeugnis bekommen. Es ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, dass man auf einem Grabstein eine Glaubensbotschaft liest. Häufig stehen dort nur noch der Namen und die Lebensdaten des Verstorbenen und diese Kombination hat etwas Endgültiges, Abschließendes. „Credo in vitam aeternam“ hat dagegen etwas Zukunftsweisendes, da kommt noch etwas, zum Abschluss gebracht ist erst der 1. Teil des Lebens, die Ouvertüre sozusagen.
Ablauf der Ruhefrist?
Nun hat eine aufmerksame, Gefahren bewusste Friedhofsverwaltung über der Glaubensbotschaft eine weitere Nachricht hinterlassen: „Grabstein lose. Bitte sachgemäß befestigen lassen.“ Gegen diese Nachricht ist nichts einzuwenden. Wer will schon, dass ihm ein Hundert-Kilo-Grabstein auf die Füße fällt. Da ist Handlungsbedarf.
Solche Nachrichten der Friedhofsverwaltung sind öfters zu lesen, häufig zum Beispiel auch: „Ablauf der Ruhefrist. Nutzungsberechtigte bitte bei der Friedhofsverwaltung melden.“ Jeder weiß, was gemeint ist: Die Mietdauer der Grabstelle ist nach zwanzig oder dreißig Jahren abgelaufen und die Angehörigen haben nun zu entscheiden, wie zukünftig zu verfahren ist: Möchten Sie die Mietdauer verlängern oder soll das Grab aufgehoben werden, eingeebnet, letzten Endes verschwinden?
Fragen, die bei manchen traurige, schmerzhafte Erinnerungen wachrufen; von den meisten jedoch – so glaube ich – ganz praktisch gehandhabt werden. Jedoch kann ich mir bei einer solchen Nachricht manchmal ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen: unfreiwillige Assoziationen. Bestes Behördendeutsch. „Ablauf der Ruhefrist“: Was soll denn der Verstorbene machen? Seine Ruhe entzieht sich schon lange jeder behördlichen Maßnahme. Und wie soll er sich – der eigentliche Nutzungsberechtigte – um alles in der Welt denn bei der Friedhofsverwaltung melden können?
Ich wünsche uns Osteraugen, ...
Lese ich solche Nachrichten der Friedhofsverwaltung mit den Augen des Alltagsrealisten oder mit Osteraugen, von denen der frühere Aachener Bischof Klaus Hemmerle in einem Gedicht kurz vor seinen Tod geschrieben hat:
„Ich wünsche uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, in Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du zu sehen vermögen. Und dazu alle österliche Kraft.“
Lese ich mit Osteraugen die Nachricht auf unserem Grabstein „Grabstein lose. Bitte sachgemäß befestigen lassen“, dann fällt mir Folgendes dazu ein: Zu spät. Die Erstarrung des Todes – manifestiert in marmorner Platte – ist längst überwunden. Hier lässt sich nichts mehr sachgemäß befestigen.
Auch an diesem Grab gilt die Botschaft des Ostermorgens: Jesus ist auferstanden. Der Stein vor seinem Grab ist weggeschoben und deshalb müssen uns die Steine auf unseren Gräbern auch nicht mehr kümmern. Hier gibt es keinen Handlungsbedarf mehr, weil Gott, der Herr über Leben und Tod, längst selbst Hand angelegt hat an den Tod. Weil der Tod, und mögen noch so viele marmorne Grabsteine von seiner Herrschaft zeugen, längst besiegt ist. Das Unbewegliche hat sich bewegt: der Tod. Jesus lebt. Das Leben hat den Tod überrollt, ist über den Tod hinweggefegt. Die entscheidende Veränderung hat sich nicht vor unseren Augen abgespielt, doch wir können sie bezeugen: Christus ist auferstanden. Gott schlägt das Buch des Lebens noch einmal auf. Die Erstarrung des Todes löst sich auf. Bewegung kommt in die Welt.
Frohe Ostern wünscht Ihnen
Ihr Michael Tillmann
Michael Tillmann
Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.
