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Den Sonntag im Blick – Gebote ist der Plural von Liebe

© Michael Tillmann

Sind die Zehn Gebote nicht eher Verbote als Gebote? Und warum sie dennoch eine Einladung zur Liebe sind.

Ohne Verbote gibt es keine Freiheit

Sind die Zehn Gebote nicht eher Verbote als Gebote? Diese Frage erscheint auf den ersten Blick berechtigt, denn die meisten Gebote sind negativ formuliert: Du sollst nicht … Dennoch gehören sie mitten hinein in die große Befreiungsgeschichte des Volkes Israel, sind Teil des Exodus des Volkes aus der Sklaverei in Ägypten. Folgerichtig beginnen sie auch mit den Worten: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“

Freiheit und Verbote – passt das überhaupt zusammen? Natürlich, man muss es sogar noch zugespitzter formulieren: Ohne Gebote, ohne Verbote ist Freiheit gar nicht denkbar.

Weil Freiheit nur lebensbejahende, Leben ermöglichende Freiheit sein kann, wenn sie zwei Grenzen kennt. Die eine Grenze ist der Mitmensch. Meine Freiheit darf ihn in seiner Freiheit, in seinem Recht auf Leben und Glück nicht einschränken. Und die andere Grenze ist Gott. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge, sondern Gott setzt das Maß, in dem der Mensch heil leben kann. Geschichte und Gegenwart waren und sind voller Beispiele, in denen die grenzenlos gelebte Freiheit des Menschen zum Schaden und Unheil vieler wurde. Am Beginn und am Ende des Lebens. Bei der Ausbeutung des Menschen und der Schöpfung. Bei der Anhäufung von Reichtum. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Der Mensch, der für sich keine Grenzen akzeptiert, schadet sich selbst und anderen, ist in weit größerem Maße ein Gefangener seiner selbst als der Mensch, der in Freiheit die Gebote Gottes lebt.

Liebe, wie sie Jesus versteht

Doch Jesus knüpft im Evangelium eine andere Verbindung, die zwischen den Geboten und der Liebe. Denn die Gebote Gottes sind ja etwas anderes als die Straßenverkehrsordnung oder das Bürgerliche Gesetzbuch. Sie greifen tiefer, regeln Sachverhalte, die in einer modernen Gesellschaft von keinem Gesetz geregelt werden; sie sind Ausdruck seiner Liebe oder anders formuliert: Gebote ist der Plural von Liebe.

Liebe, wie sie Jesus versteht. Wir sind es dermaßen gewohnt, Liebe nur als Gefühl anzusehen, doch Jesus spricht von der Liebe nicht als Gefühl, geschweige denn als Gefühlsdusseligkeit, sondern er spricht von der Liebe als Arbeit. Denn das kann es ja manchmal sein, wenn wir versuchen, Gottes Gebote zu halten. Mir zumindest fliegt das nicht zu, sondern ich muss daran arbeiten: Mich fragen, was Gott in einer bestimmten Situation von mir möchte; Wege überlegen, wie Gottes Wille zu befolgen ist und dann – und das ist ja meistens der schwierigste Teil – die Gedanken auch noch in die Tat umsetzen. Manchmal gegen das, was ich mir wünsche oder auch, was ich fühle. Denn meine Wünsche und auch meine Gefühle können ja falsch sein. Nur die Liebe, wie Jesus sie uns vorgelebt hat, nur die Liebe Christi kann nicht falsch sein. „Liebe, und tue dann, was du willst“, hat der heilige Augustinus gesagt, weil das mit Liebe Getane nicht falsch sein kann. Die Liebe ist mehr als ein Gefühl, die Liebe kennt Maßstäbe, Gottes Maßstäbe, seine Gebote. Wenn wir versuchen danach zu leben, leben wir in der Liebe, leben wir die Liebe.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Tillmann

Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.

Autor Michael Tillmann

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