Möchten Sie im Restaurant Ihr Handy am Tisch behalten – oder stattdessen lieber eine Flasche Wein bekommen?
Geschenkter Wein
Er wollte es nicht mehr mit ansehen. Ein Gastwirt in Italien ärgerte sich. Er bemühte sich um die besten Speisen für seine Gäste und um eine angenehme Atmosphäre in seinem Lokal – die Gäste aber sitzen an den Tischen und schauen kaum auf ihr Gegenüber oder ihre Teller, sondern lieber auf ihr Handy. Manche unterhalten sich nicht miteinander, sondern schreiben Textnachrichten, schauen im Internet nach oder machen kleine Videos. Das alles wollte er einfach nicht mehr mit ansehen.
Darum hatte er die folgende Idee: Wer beim Betreten seines Restaurants sein Handy in einem dafür aufgebauten Schrank einschließen lässt, bekommt beim Verlassen des Restaurants eine Flasche Wein geschenkt. Das erfahren alle Gäste, wenn sie in sein Lokal kommen – und siehe da: etliche machen mit. Nur wenige können oder wollen sich nicht von ihrem Mobiltelefon trennen und nehmen es weiterhin mit an ihren Tisch.
2 Stunden lang kein Handy?
Der Bericht über den italienischen Gastwirt wurde neulich im Fernsehen ausgestrahlt. Einige zufällig ausgewählte Menschen auf der Straße wurden gefragt: Würden Sie bei dieser Aktion mitmachen: Handy gegen eine Flasche Wein?
Die Reaktionen waren so unterschiedlich wie im Film. Etliche würden sofort mitmachen, andere eher nicht. Für manche, vor allem Jüngere, scheint es schwer, für zwei Stunden auf ihr Mobiltelefon zu verzichten. Eine junge Frau sagte erschrocken: Dann kann ich ja das Essen gar nicht fotografieren und die Bilder verschicken.
Wir brauchen einander
Tatsache ist: Viele unsere alltäglichen Beziehungen finden mittlerweile im Internet statt: Die Kontoführung, manche Einkäufe, das Bestellen von Fahrkarten. Seit das möglich ist, haben wir weniger direkten Kontakt zu Menschen. Und verlieren womöglich auch etwas das Gefühl für andere Menschen, für ein leibliches Gegenüber. Das ist nicht nur schade, sondern auch ein wenig gefährlich.
Das Gegenüber zu Menschen, unser Kontakt mit Augen und Ohren lässt uns eher die Gestimmtheit anderer erkennen. Das brauchen wir – auch, um uns selber besser zu erkennen. Je mehr wir andere fühlen, desto besser erahnen wir auch die eigene Gestimmtheit. Und tauschen sie mit anderen aus; vielleicht etwas behutsamer in der Wortwahl.
Wir brauchen einander, auch leiblich. Empfindungen füreinander entstehen nicht durch Internetkontakte. Wir sollten einander viel mehr in die Augen sehen und aufeinander hören. Dabei hilft, das Handy wegzulegen, auch wenn es keinen Wein zur Belohnung gibt. Es gibt ja einen viel wertvolleren Lohn: das Gesicht, die Gesten und Regungen eines anderen Menschen. Auch er oder sie sind ein Ebenbild Gottes. Leiblich und schön.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Michael Becker
