Ein frühes Wandbild des berühmten deutschen Malers Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, wird gerade freigelegt.
Lebensfreude
Man darf von einer Sensation sprechen. Sie ereignet sich gerade im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. Dort stehen Gerüste vor einer Wand. Auf den Gerüsten stehen Maler und Restaurierer, die ein Bild freilegen. Ein Wandbild des wohl berühmtesten deutschen Künstlers der Gegenwart: Gerhard Richter, 92 Jahre alt. Richter ist in Dresden geboren und hat dort seine Ausbildung begonnen. 1956 malte er im Hygiene-Museum als Diplomarbeit ein Wandbild mit dem Titel „Lebensfreude“ – heitere Szenen aus dem sozialistischen Alltag der DDR. Als Richter später aus der DDR in den Westen floh, ließen DDR-Machthaber das Bild mehrfach übermalen.
Lange Zeit verweigerte Richter die Freilegung seines Bildes. Dann wurde er anderen Sinnes und stimmte zu. Nun stehen Restaurierer auf den Gerüsten und tragen Schicht für Schicht der Wandfarben ab. Man kann ihrer Arbeit vor Ort zuschauen. Immer mehr Lebensfreude kommt zum Vorschein. Im Oktober sollen etwa 20 Quadratmeter freigelegt sein.
Weglaufen geht auch nicht
Kaum jemand hat es nur leicht mit der eigenen Vergangenheit. Auch ein Gerhard Richter nicht. Womöglich wollte er mit Bildern aus dem sozialistischen Alltag nicht mehr so gerne in Verbindung gebracht werden. Aber Weglaufen geht eben auch nicht. Und wenn er zu Lebzeiten noch zustimmt, kann er selber bestimmen, was zu sehen ist und wie es hergestellt wird. Außerdem ist „Lebensfreude“ ja etwas, dessen man sich nicht schämen muss. Kein Mensch ist mit 34 schon im Bewusstsein eines 92-Jährigen. Gut und wertvoll, dass Richter sich zu dem Gemälde von vor sechzig Jahren bekennt.
Mit uns selbst versöhnt
Es ist hilfreich, sich zu sich zu bekennen – auch wenn es manchmal schwerfällt. Unsere Vergangenheit und unser Heute gehören zusammen. Auch wenn wir das manchmal nicht so gerne wahrhaben wollen und manches wohl lieber vergessen würden. Das geht aber nicht. Und selbst wenn es uns gelingen sollte – andere werden uns daran erinnern, wie wir waren und was wir getan haben.
Dann lieber selber zu sich stehen und bekennen: Ja, das war ich. Es war vielleicht nicht schön, aber ich will dazu stehen. Und wenn es um Schuld geht, will ich um Verzeihung bitten und mir womöglich auch selber verzeihen.
Jedes Geständnis befreit. Auch das, was ich im Stillen vor Gott bringe. Niemand macht im Leben alles richtig. Oft hinterlässt man Fehler und Schuld. Beides kann belastend sein. Da tut es gut zu wissen, dass Gott denen vergibt, die ihn darum bitten (Psalm 103,12): So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Eine größere Entlastung ist kaum denkbar. Gottes Vergebung versöhnt uns mit uns selber.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Michael Becker
