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Das Vaterunser – Teil 5

© Peter Friebe

Es ist DAS Gebet des Christentums, von Jesus selbst überliefert. Das Vaterunser. In jedem Vers steckt tieferer Sinn. Schuld und Vergebung. Zentrale Konzepte unseres Glaubens, doch gar nicht einfach zu verstehen. Wer möchte schon schuldig sein, und fällt es uns immer so leicht, zu vergeben?

Vaterunser Kalligrafie von Silke Schmithausen

Und vergib uns unsere Schuld

Die Schöpfungserzählung von Adam und Eva lehrt uns zweierlei: Erstens, dass die Schuldfähigkeit genauso zum Menschen gehört wie seine Freiheit. Wären Adam und Eva nicht frei gewesen, vom Baum der Erkenntnis zu essen, hätten sie auch nicht schuldig werden können. Kein Mensch ist frei von Schuld, denn er bringt bei seiner Geburt die Unvollkommenheit mit, durch die Schuld erst möglich wird. Wer dem Menschen seine Schuld absprechen will, spricht ihm auch seine Verantwortung und seine Freiheit ab: „Wo hat der Mensch eine höhere Würde als dort, wo er noch schuldig werden kann.“ (R. Spieker) Und zweitens: der Umgang mit der Schuld. Adam schiebt sie auf Eva und Eva auf die Schlange. Das Verdrängen der eigenen Schuld ist ein Urmechanismus des Menschen. Doch wenn ich versuche, vor meiner Schuld wegzulaufen, geht es mir wie dem Mann in einer Geschichte, der versucht, vor seinem Schatten wegzulaufen. Er lief und lief, immer schneller, bis er tot zusammenbrach.

Die Geschichte zeigt, wie lebenswichtig Vergebung ist. So wichtig wie die Bitte um das tägliche Brot, vielleicht sind deshalb die letzten Vaterunser-Bitten mit einem „und“ verbunden. Das Eingeständnis meiner Schuld ist die Voraussetzung für die Vergebung. Doch ich kann nur von meiner Schuld sprechen, wenn ich auch auf Vergebung hoffen darf. Deshalb kann das Eingeständnis die Schuld allein nicht bewältigen. Die Vergebung kann mir nur geschenkt werden. Auch die Bitte um Vergebung meiner Schuld richte ich an meinen Vater im Himmel, der mich liebt und der möchte,dass ich frei von Schuld leben kann.

Gott möchte mir verzeihen, wie Jesus immer wieder auf die Menschen zugegangen ist, die unter ihrer Schuld litten. Er hat mit ihnen gegessen und getrunken, er hat sie nicht auf ihre Vergangenheit festgenagelt, sondern ihnen ein neues Leben ohne Schuld ermöglicht. Noch einmal zu der oben genannten Geschichte, in der ein Weiser sagte, dass es doch für den Mann ganz einfach gewesen wäre, seinen Schatten loszuwerden, wenn er sich in den Schatten eines Baumes gestellt hätte. Für uns Christen ist dieser Baum das Kreuz Christi. Wenn wir uns mit unserer Schuld unter das Kreuz Christi stellen, werden wir dort von der Schuld befreit.

Vaterunser Kalligrafie von Silke Schmithausen

Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern

Die Formulierung dieser Vaterunser-Bitte legt ein Missverständnis nahe: Dass ich erst denen vergeben muss, die an mir schuldig geworden sind, bevor Gott mir vergibt. Oder anders formuliert: Dass ich einen Anspruch auf Gottes Vergebung habe, wenn ich den anderen verzeihe. Doch diesen „Vergebungsautomatismus“ gibt es nicht. Gottes Vergebung steht immer am Anfang und wir können nur vergeben, weil uns Gott schon vergeben hat, weil er uns zur Vergebung befreit hat von unserer eigenen Schuld.

Was ich selbst erfahre, kann ich meinen Mitmenschen erfahrbar machen. Wenn Jesus uns im Evangelium (Matthäus 18,22) auffordert, dem Nächsten siebenundsiebzigmal zu vergeben, so ist das keine Überforderung, sondern sein Versprechen, uns selbst mindestens so oft zu vergeben. Und trotzdem: Dem anderen so zu verzeihen, wie Gott uns verzeiht, das fällt oft schwer, da fallen uns mannigfaltige Gründe ein, es mit gutem Gewissen nicht zu tun: Es muss doch gerecht zugehen, dann lernt der andere nicht aus seinen Fehlern …

„Hüten wir uns indes, einen zu vergessen bei der Bitte ,Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern’. Ein Wesen existiert, das uns enttäuscht und beleidigt hat, ein Wesen, mit dem wir ständig unzufrieden sind und das wir mit einem Groll verfolgen, den wir keinem anderen zu zeigen wagten. Das sind wir selbst.“ (Louis Evely) Wie oft kann ich mich selbst nicht annehmen, wenn ich hinter den mir selbst gesetzten Erwartungen zurückbleibe, wenn ich nicht dem Bild, das ich von mir habe, entspreche.

Die Vaterunser-Bitte „wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“ ist auch die Bitte, dass Gott mir die Kraft gibt, mir selbst zu verzeihen, mich selbst annehmen zu können. Das heißt nicht, dass ich nicht mehr sehe, was ich falsch mache, aber es heißt doch, nicht mehr zu glauben, dass ich selbst falsch bin. Wenn ich an die Vergebung Gottes glaube, dann gilt sie auch für mich und dann kann ich umso leichter auch dem anderen vergeben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal

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