Am 2. Februar wird das Fest Darstellung des Herrn gefeiert. Gedanken zum Text anhand des Evangeliums Lukas 2,21-38
Simeon
Zunächst scheint uns Simeon unendlich fern, wie ein Mensch aus einer längst vergangenen Zeit. Doch ist er uns als Vorbild im Glauben trotz zweitausend Jahren und mehreren hundert Kilometern Entfernung ganz nah. Oder kann es sein, wenn wir uns darauf einlassen. Simeon hält fest an der Verheißung Gottes, an seinem – um es klarer und schärfer zu sagen – Versprechen, dass er den Messias vor seinem Tod sehen wird. Er hält fest über viele Jahrzehnte, indem er sich dem Geist Gottes anvertraut. Indem er Gott etwas zutraut. Für sein Leben und das Leben seines Volkes. Und trotz dieser langen Wartezeit ist Simeon nicht auf ein bestimmtes Gottesbild fixiert. In einem Kind erkennt er den Messias, obwohl dessen Kommen ganz anders angekündigt war. Eine Einladung an uns, Gottes Gegenwart in ganz ungewohnten, unerwarteten Ereignissen zu erkennen; nicht auf lieb gewonnene Bilder fixiert zu sein.
Geschulte Sensibilität
In Klöstern wird das „Nunc dimittis“, die Worte, die der greise Simeon angesichts des neugeborenen Jesus spricht, jeden Abend in der Komplet gebetet, in dem Gebet zum Ausgang des Tages. Kann ich diese Worte mitbeten? „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, (an diesem Abend) in Frieden scheiden, wie dein Wort es verheißen hat. Denn meine Augen haben das Heil geschaut.“ Begegnet mir im Alltag mit seinen Sorgen und Nöten, das in Jesus Fleisch gewordene Heil? Ich glaube, es braucht schon die Sensibilität eines Simeon, der in einem unscheinbaren Kind, das unscheinbare Eltern in den Tempel bringen wie Hunderte vor ihnen das Heil der Welt zu schauen.
Eine im Gebet geschulte Sensibilität. Eine hoffnungsvolle, vertrauende Aufmerksamkeit. Wenn ich mich darin einüben, dann kann ich – so glaube ich – das Heil erkennen, das mit Jesus in die Welt gekommen ist und seitdem in der Welt ist. In der Liebe zwischen Menschen, die füreinander da sind. In der Gegenwart Jesu im Abendmahl. In Gottes guter Schöpfung. Vielleicht kann ich das Heil nicht jeden Tag erkennen, vielleicht braucht es auch ein wenig von der Geduld, die Simeon ausgezeichnet hat, doch das Heil ist da.
Realist bleiben
Darauf darf ich vertrauen. Und trotz dieses überraschenden, sein Leben erfüllenden Augenblicks der Begegnung mit dem Messias bleibt Simeon realistisch. Er sieht das Heil – für alle Menschen – und verschließt die Augen nicht davor, dass Jesus Widerspruch, Gewalt erfahren wird. An Gottes Versprechen festhalten, seine Gegenwart erkennen, wo wir sie nicht erwarten und im Erkennen des Heils Realist bleiben – wie Simeon lebt und glaubt, kann auch für uns Wegweiser sein.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Tillmann
Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.
