Gemeindeportal

Den Sonntag im Blick – Der Glaube schließt niemanden aus

© Michael Tillmann

Die Engstirnigkeit mancher Christen verträgt sich nicht mit Jesu Großherzigkeit.

Alleinvertretungsanspruch

Seit Beginn des Christentums gibt es einen Hang zur Exklusivität, zur Ausgrenzung. Davon spricht zum Beispiel das Evangelium Markus 9,38-42, dort erkenne ich in der Haltung der Jünger ein Denken, das ich auch in unseren Tagen noch entdecke. Den Wunsch, auf Jesus einen Alleinvertretungsanspruch zu haben; verbunden mit dem Versuch, alle anderen, die im Namen Jesu auftreten, zu diskreditieren. Wie ein roter Faden zieht sich diese Neigung durch die Kirchengeschichte –von dem Jüngerkreis durch die ersten Gemeinden, durch das Mittelalter mit den Ketzerverfolgungen bis heute. Ich erlebe das in Gemeinden, wenn über die Form der Liturgie oder der Gestaltung des Gottesdienstraumes gestritten wird ebenso wie zwischen den Konfessionen, wo ein Alleinvertretungsanspruch – kombiniert mit der Überzeugung, als Einzige Jesu Worte richtig auszulegen – vielleicht nicht mehr laut ausgesprochen wird, aber gelegentlich zwischen den Zeilen immer noch zu lesen ist. Und immer beruft man sich dabei auf Jesus, auf den Glauben an ihn, obwohl er im Evangelium unzweideutig sagt: Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Menschliches Machtgebaren verträgt sich scheinbar nicht mit der Großherzigkeit Jesu.

BItte um Einheit

Jesu Worte laden zu mehr Gelassenheit ein. Ausschlaggebendes Kriterium ist, dass die frohe Botschaft glaubwürdig verkündet wird. Und wie ein roter Faden ziehen sich auch die positiven Beispiele durch die Kirchengeschichte, bei denen Menschen der Großherzigkeit Jesu gefolgt sind. Von Paulus, der allen alles sein wollte bis hin zu Papst Franziskus, der bei einer Morgenmesse vor vielen Jahren im Blick auf das Johannesevangelium (17,20-26) und der Bitte Jesu um Einheit sagte: „Wir müssen eins sein, vereint, so wie Jesus und der Vater vereint sind. Das ist die Herausforderung von uns allen, die wir Christen sind: der Spaltung zwischen uns keinen Raum zu lassen, nicht zuzulassen, dass der Geist der Spaltung, der Vater der Lüge bei uns eintritt. Immer die Einheit suchen. Jeder ist, wie er ist, aber versucht, in Einheit zu leben.“

Das JesusCenter

Ein ganz tatkräftiges Beispiel ist auch das JesusCenter im Hamburger Schanzenviertel. 1970 von Christinnen und Christen unterschiedlichster Konfessionen gegründet, leistet es seit über 50 Jahren profilierte Sozialarbeit. Manche Christen mögen darüber die Nase rümpfen, doch inmitten eines sehr bunten Viertels wird durch tätige Nächstenliebe der christliche Glaube verkündet und erreicht Menschen, die – so vermute ich – größtenteils den Weg in eine Kirche selten finden. Die Arbeit des JesusCenter begann unter suchtgefährdeten Jugendlichen und bietet heute ein vielfältiges Beratungs- und Betreuungsangebot: Jugendliche werden begleitet, die vorübergehend eine Wohnung brauchen, mit Kindern wird präventiv auf Spielplätzen gearbeitet, ein Streetworker begleitet Menschen in der Drogen- und Alkoholikerszene und im „Café Augenblicke“ finden Menschen ein günstiges Essen und ein Platz zum Aufwärmen. Im JesusCenter wird gelebt, was Papst Franziskus vor vielen Jahren an Pfingsten beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz allen Christen ans Herz legte: „Die Kirche wird nicht in der Isolation geboren, sie entsteht als universale, als eine, katholisch, mit einer eindeutigen und zugleich für alle offenen Identität. Sie bleibt nicht verschlossen, sondern hat eine Identität, mit der sie die ganze Welt umarmt ohne jemanden auszuschließen. Niemandem schlägt die Mutter Kirche die Tür ins Gesicht, niemandem! Nicht einmal dem größten Sünder, niemandem! Und dies kraft und Gnade des Heiligen Geistes. Die Mutter Kirche öffnet ihre Türen allen, weil sie Mutter ist.“

Eines möchte ich zum Abschluss nicht verschweigen: Jesu Worte sind zugleich eine ernste Ermahnung. Wenn Streit – ob jetzt in einer Gemeinde oder zwischen den Konfessionen – Menschen, die an Jesus glauben, zum Bösen verführen, sie in ihrem Glauben zweifeln lassen oder sie gar dem Glauben entfremden, dann findet Jesus dafür drastische Worte, die wir – so fremd sie uns vielleicht sind – nicht wörtlich, aber ernst nehmen sollten.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Tillmann

Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.

Autor Michael Tillmann

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