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Den Sonntag im Blick – Verständigungsschwierigkeiten

© Michael Tillmann

Gemeinde und Kirche laden immer wieder ein. Doch wird die Einladung noch verstanden?

Offene Tür

Heute geöffnet – nicht donnerstags, sonntags oder dienstags, sondern: Heute geöffnet. Schön, dass jeder Tag ein Heute ist – die Kirche also immer geöffnet. Ich glaube nicht, dass dies auf die Holy Trinitiy Church im englischen St. Austell zutrifft, doch auf Jesus trifft es zu. Diese Erfahrungen machen die beiden Jünger im Evangelium. Jesus vertröstet sie nicht auf morgen oder übermorgen, als sie ihn fragen, wo er wohnt, sondern er nimmt sich heute Zeit – den ganzen Tag. Das ist die erste positive Erfahrung, die die Jünger mit Jesus machen. Sie erleben ihn als einen Menschen, der sich spontan viel Zeit für sie nimmt und bereit ist, viel von sich preiszugeben. Deshalb ist es auch wichtig und schön, wenn Kirchen möglichst immer – zumindest über Tag – geöffnet sind. Ich weiß, dass verlangt Gemeinden viel ab, ohne ehrenamtliche Unterstützung geht das nicht. Doch wenn sich ein Mensch neu zur Kirche hin bewegt, sollte die erste – negative – Erfahrung keine geschlossene Kirchentür sein.

Wohnen

Wo jemand wohnt – und das schließt die Frage mit ein, wie jemand wohnt –, sagt viel über einen Menschen aus. Meine Verwandten und meine Freunde wissen, wie ich wohne. Das wird bei Ihnen nicht anders sein. Man besucht sich gegenseitig. Doch auch Menschen, die mir wichtig sind, mich aber nicht besuchen können, weil sie weit weg leben, wissen, wie ich wohne. Ich habe es ihnen beschrieben, Fotos geschickt. Das gehört einfach zu einer Freundschaft dazu, dass wir wissen, wie die Freunde leben. Das war bei Jesus nicht anders. Und die Jünger machen diese positive Erfahrung als ersten Schritt ihrer Berufung. Kommunikation ist gelungen.

Samuel im Tempel

Doch manchmal gibt es auch Verständnisschwierigkeiten. Davon erzählt die alttestamentliche Geschichte von der Berufung des jungen Samuel. Er schläft bei seinem Lehrer Eli im Tempel von Schilo, einem bedeutenden Heiligtum des Volkes Israels, bevor der Tempel in Jerusalem gebaut wurde. Dort wurde die Lade Gottes mit den Steintafeln der Zehn Gebote aufbewahrt. Gott ruft Samuel, doch Samuel versteht ihn nicht. Es geht ihm wie – um noch einmal auf das Bild zurückzukommen – einem jungen Kind, das der englischen Sprache nicht mächtig ist. „Church open today“ sagt ihm nichts. Es weiß nicht, dass die Kirche geöffnet ist. Vielleicht läuft es zu seinen Eltern und fragt nach. So macht es der junge Samuel, der meint, sein Lehrer Eli habe ihn gerufen. Doch auch dieser erfahrene Gottesmann weiß den Anruf Gottes zunächst nicht zu deuten. Erst beim dritten Mal erinnert er sich an die Geschichten seines Volkes; daran, wie Gott Menschen zu sich ruft. Er ist wie ein Vater oder eine Mutter, die zunächst ihr Schulenglisch aus dem Gedächtnis hervorkramen müssen, bevor sie ihrem Kind sagen können, dass die Kirche jetzt geöffnet ist.

Verständlich bleiben

Gottes Einladung an die Menschen weiterzugeben – und es muss ja nicht immer die außergewöhnliche Berufung sein – kann auf Verständnisschwierigkeiten treffen. Die können vielfältig sein. Wichtig ist für uns als Gemeinde, dafür sensibel zu sein. Offene Augen und offene Herzen. Genau hinschauen. Nicht alles als gegeben hinnehmen. Die Sprache der Kirche kann für viele heute eine unverständliche Fremdsprache sein. Wir sollten aber eine Sprache sprechen, die auch ohne theologisches Lexikon verständlich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Tillmann

Seit fast dreißig Jahren Redakteur, Lektor und Marktmanager für den Bereich Kirche im Bergmoser und Höller Verlag AG.

Autor Michael Tillmann
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