Wir leben schon lange mit einem großen Verlust, schreibt der Soziologe Andreas Reckwitz in seinem Buch „Verlust“: Wir glauben nicht mehr an eine gute Zukunft (spiegel.de)
Verlust der Zukunft?
Wir leben schon lange mit einem großen Verlust, schreibt der Soziologe Andreas Reckwitz in einem Buch* und erzählt er in einem Interview. Er meint damit nicht den Verlust eines Menschen. Er meint den Verlust der Zukunft.
Früher habe man an die Zukunft geglaubt, an den Fortschritt und daran, dass es Kinder und Enkel einmal besser haben werden. So sei er selber auch groß geworden in den 1980er-Jahren. Aber ab den 1990er-Jahren habe sich das Jahr für Jahr verändert. Und nun, nach der Coronapandemie, dem Bewusstwerden der Klimaveränderung und den Kriegen in der Welt fehle die große gesellschaftliche Hoffnung: die Zuversicht auf Fortschritt, auf Verbesserung und auf eine gute Zukunft.
Das sei ein großer, schmerzlicher Verlust.
Zwar meinen viele Menschen – und zwar mit Recht – persönlich gehe es ihnen gut. Aber für die Gesellschaft und das Zusammenleben denken Menschen das nicht mehr. Es gebe einfach zu viele Krisen und damit verbundene Ängste. Wer heute eine Ausbildung beginnt, habe mehr Sorgen als Hoffnung. Sorgen um den Arbeitsplatz und um ein bezahlbares Leben. Wir leben mit einem großen Verlust: dem Verlust einer Hoffnung auf Zukunft.
An Verlusten reifen
Am wichtigsten sei, dass wir uns das eingestehen. Wenn wir uns das klar machen, sagt Reckwitz, werden wir klüger. Leugnen hilft nie. Viel mehr helfe es, dass wir das schon Erreichte bewahren; uns viele Errungenschaften in Wissenschaft und Medizin nicht etwa kleinreden. Wer festeren Boden unter den Füßen hat, kann genauer hinschauen. Und erkennt vielleicht, dass man bei Verlusten auch reifer werden kann. Man kann wachsen an Verlusten. Und ehrlicher werden zu sich selber.
Verzicht als Gewinn!
Wir alle sind wohl keine Soziologen. Aber Wachsen und Reifen sind Begriffe, die uns gut tun können. Wir stärken unsere Seele, wenn sie wachsen und reifen kann. Jesus hat darauf aufmerksam gemacht, als er einmal laut fragte (Lukas 9,25): Welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schaden an sich selbst?
Das ist immer wieder eine wertvolle Frage. Jeder und jede frage sich das auch selber. Wie viel Fortschritt ist für mich nötig? Was brauche ich wirklich? Was macht mich unzufrieden? Wie viel Verzicht brauchen wir alle, um wieder Hoffnung zu schöpfen für unsere Gesellschaft und die Welt? Und was könnte mein Beitrag sein, wieder mehr Zukunft für alle möglich werden zu lassen?
Es ist nötig, den großen Verlust Zukunft zu erkennen und zu benennen. Viele haben mehr Sorgen und Ängste als Zuversicht. Aber genau dabei können wir auch umkehren lernen. Oft ist Verzicht ein Gewinn. Ein Gewinn an starker Seele. Und wer mutiger verzichten lernt, gewinnt sich selbst und neue Hoffnung.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Michael Becker

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