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Gott im Alltag – So etwas wie Himmel

© Michael Tillmann

Zu Christi Himmelfahrt: Die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die eine Mutter entlastet.

Viel grau

Manchmal tropft etwas Himmel in den grauen Alltag. Wie bei Helga*, vor drei Wochen. Vieles im Leben von Helga war grau; oder sehr grau. Ihr Sohn Joel ist schwer beeinträchtigt. Seine Muskeln sind kaum entwickelt. Seit Jahren sorgt sich Helga um ihren Sohn, der jetzt acht Jahre alt ist. Er kann immer nur kurz stehen und muss sich dabei festhalten. Sein Körper hat ein Eigenleben, könnte man sagen; er gehorcht keinem Willen. Er ist schon so geschwächt, dass die Ärzte keine große Hoffnung mehr haben. Das alles weiß Helga, die ihren Sohn allein erzieht. Und dabei kämpft. Mit sich, mit der Krankenkasse; sie kämpft um Wertschätzung und Beihilfen. Da ist viel grau, sagt Helga. Das viele Grau ist anstrengend. Helga sagt ein noch drastischeres Wort. Ihr Leben ist ein Albtraum, denkt sie manchmal.

Aber einer mit Liebe. Zu ihrem Sohn Joel, der blonde Locken hat und große, etwas traurige Augen. Die sehen jetzt manchmal den Himmel. Wie Mutter Helga.

Alles wie neu

Neuerdings kommt nämlich ein Mann zu ihnen. Der heißt Franz, ist knapp fünfzig Jahre alt und freiwillig bei ihnen. Er ist so etwas wie ein Palliativhelfer. Also ein Mensch, der im weitesten Sinne beim Sterben begleitet. Ganz so weit ist es bei Joel noch nicht, aber man weiß ja nie. Eine Einrichtung der Stadt hat ihn zu Joel und Helga geschickt. Und kaum war Franz da, kam es Helga vor, als tropfe etwas Himmel in ihr Leben. Der Mann und der Junge verstehen sich so gut. Sie gehen aus, sie essen Eis oder machen Schulaufgaben, sie lesen und erzählen sich. Drei Wochen kommt Franz jetzt schon zu ihnen, immer dreimal in der Woche. Nicht nur der Junge blüht auf. Auch Helga erblüht. Sie hat jetzt Zeit für sich. Da geht sie aus, besucht Freundinnen oder ihre Eltern. Sie macht sich schön für einen Spaziergang.

Alles ist wie neu, sagt Helga. Es gibt ihn, den Himmel.

Himmel im Leben

Der Himmel heißt Franz. Aber Franz weiß nichts davon. Darum, besser gesagt: Der Himmel heißt Liebe. Auch das würde Franz nicht sagen. Er ist viel zu bescheiden für solche Worte. Aber er liebt den Jungen. Vom ersten Augenblick an. Bei Joel dauerte es zwei Augenblicke. Der Junge war etwas skeptischer. Jetzt aber nicht mehr. Jetzt lässt er sich tragen und in den Rollstuhl heben und wieder heraus – ohne Furcht oder Beklemmung. Franz ist einfach ein Glück. Auch das Wort sagt niemand. Vielleicht besser so. Was braucht man große Worte, wenn man Liebe und Glück einfach fühlt. Dreimal in der Woche.

An Himmelfahrt gibt es einen Ausflug. Alle drei werden in der S-Bahn sitzen und an einen See fahren. Oder in ein Lokal, wenn das Wetter zu schlecht ist. Sie werden Liebe haben und Glück miteinander. Davon werden sie aber nicht sprechen. Sie werden einfach genießen, was kommt. Als tropfe etwas Himmel in ihr Leben.

 

* Die Namen sind alle geändert

 

Mit freundlichen Grüßen

Pfarrer Michael Becker

Pfarrer im Rundfunk und Autor von Image, Andachten und Botschaft im Bergmoser & Höller Verlag.
Autor Pfarrer Becker

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