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Das Vaterunser – Teil 2

Vaterunser - Dein Reich komme
Vaterunser - Dein Reich komme ©New Africa - stock.adobe.com

Es ist DAS Gebet des Christentums, von Jesus selbst überliefert. Das Vaterunser. In jedem Vers steckt tieferer Sinn. Im zweiten Teil unserer Reihe widmen wir uns Versen, die Demut vor Gott zeigen. Ein schwieriges Thema in einer Zeit, da jeder stehts der Beste und Größte sein will.

Vaterunser Kalligrafie - Dein Reich komme
Vaterunser Kalligrafie - Dein Reich komme

Dein Reich komme

Die zweite Vaterunser-Bitte fasst alle anderen Bitten des Vaterunsers zusammen, denn wenn das Reich Gottes in Fülle gekommen ist, sind auch alle anderen Bitten in Erfüllung gegangen. Dabei lehrt uns die Erfahrung der Geschichte, skeptisch zu sein gegenüber irdischen Reichen, doch das Reich Gottes ist eben nicht das Paradies auf Erden, das manche Herrscher den Menschen versprochen haben und immer wieder versprechen.

Wer jetzt jedoch im Umkehrschluss meint, die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes wäre eine Vertröstung auf das Jenseits irrt ebenso, heißt es doch beim Evangelisten Markus: „Erfüllt ist die Zeit und herangekommen ist das Reich Gottes; kehrt um und glaubt an die Frohe Botschaft“ (Markus 1,14). Das Reich Gottes hat schon mitten unter uns, im Hier und Jetzt begonnen, ist gegenwärtig und wirksam. Wer um das Kommen des Reiches Gottes bittet, blickt in die Zukunft und bittet zugleich um eine erfüllte und sinnvolle Gegenwart. Denn es ist ja die Hoffnung auf die Zukunft, auf das Reich Gottes, die uns Kraft gibt, die Gegenwart in Gottes Sinne zu gestalten. Denn die Bitte um das Reich Gottes ist eben nicht die Aufforderung, die Hände in den Schoß zu legen und Gott alles zu überlassen, sondern meine Verantwortung für Welt und Menschen zu übernehmen.

Eine Kirche, die um das Kommen des Reiches Gottes betet, muss wissen, dass sie – wie Jürgen Moltmann sagt – „nicht die Schleppe hinterher, sondern die Fackel voranzutragen hat“. Doch die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes setzt auch allen menschlichen Machbarkeitsfantasien Grenzen. So wenig wir die Hände in den Schoß legen dürfen, so wenig dürfen wir dem Wahn verfallen, das Reich Gottes machen zu können. Es ist Gott, der die Welt und die Menschen vollenden wird. Darauf zu vertrauen, braucht angesichts der Welt Geduld und Gelassenheit. Beides dürfen wir haben. Denn das Reich Gottes kommt unter dem Zeichen des Senfkorns. Erst verschwindend klein, wird es zu einem großen Baum. Darauf dürfen wir hoffen – eine Hoffnung, die Leben hilft.

Vaterunser Kalligrafie - Dein Wille geschehe
Vaterunser Kalligrafie - Dein Wille geschehe

Dein Wille geschehe

„Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Das Gebet Jesu in der Gründonnerstagnacht fällt mir ein, wenn ich die Vaterunser-Bitte „Dein Wille geschehe“ bedenke. Eine irreführende und eine ermutigende Verbindung. Irreführend empfinde ich es, wenn wir beim Willen Gottes zuerst immer an dunkle und schwere Stunden im Leben denken. Wer Todesanzeigen liest, dem wird es auffallen: „Dem Herrn hat es gefallen …“, „Der Herr rief heute zu sich …“ Wieso fallen uns beim Willen Gottes oft zuerst Schicksalsschläge ein, als trete der Wille Gottes nur in unser Leben, wenn wir Leid erfahren?

Dabei ist unser Gott ein Freund des Lebens und er will, dass wir ein Leben in Fülle haben. Wenn ich also bete „Dein Wille geschehe“ dann ist das zugleich eine Bitte um ein Leben in Fülle. Wer denkt, diese Vaterunser-Bitte hätte irgendetwas mit „Kadavergehorsam“ zu tun, geht ebenfalls in die Irre. Jesus ist – und das ist das Ermutigende – nach dem Gebet im Garten von Gethsemane getröstet und gestärkt. Denn es ist nicht Gottes Willen, dass mein eigener Wille gebrochen wird. Im Gegenteil: „Dein Wille geschehe! ist nicht ein Ausdruck des Verzichts, sondern der Entschlossenheit. Er ist aktiv, nicht passiv“ (Corrie ten Boom). Gott möchte Ich-starke Menschen, die bei der Frage, was sie wollen, zugleich nach Gottes Willen fragen und ihn in den Blick nehmen. Ich-Stärke bedeutet ja nicht automatisch, immer seinen eigenen Willen durchzusetzen, sondern sich für das einzusetzen, was wir als richtig erkannt haben.

„Dein Wille geschehe“ – das ist auch eine Bitte gegen den Egoismus. Oder wie es der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt (12,2): „Passt euch nicht äußerlich den Normen dieser Welt an. Lasst euch innerlich von Gott umformen und eure Gesinnung gründlich ändern. Dann werdet ihr den Willen Gottes erkennen können; das, was gut ist, was ihm gefällt und keine Fehler hat.“ Das aber führt nicht zur Aufgabe des eigenen Ich, sondern zu seiner Stärkung und Ermutigung. Zum Schluss noch ein kleines Gedicht, das uns vielleicht auf das Wichtigste hinweist: Dass diese Vaterunser-Bitte immer auch eine Bitte des Vertrauens ist, dass Gott uns liebt und unser Heil möchte. Ein Vertrauen, das wir durch das regelmäßige Beten dieser Bitte einüben können. Das Gedicht ist von Erich Kästner und deshalb mit einem Schmunzeln zu lesen: „Wer nicht vertraut auf Gottes Willen, ersetzt sein Nachtgebet durch Pillen.“

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