Im Zentrum des Gemeindelebens steht immer noch der gemeinsame Sonntagsgottesdienst. Betrachten wir die einzelnen Momente genauer, entdecken wir vielleicht etwas Neues im altvertrauten Ritual. Die Lesungen aus dem alten und neuen Testament gehen zurück zu der Grundlegung unseres Glaubens. Doch sie gehen auch 2.000 Jahre oder mehr zurück in die Vergangenheit. Wie können wir diese Texte auch heute noch verstehen?
Die erste Lesung
Grundlegend hat jeder Gottesdienst zwei Lesungen, eine aus dem Alten Testament (AT), und eine aus dem Neuen Testament (NT). Die wenigen Ausnahmen im Kirchenjahr weisen dann auf besondere Zeiten hin. Ob tatsächlich beide Texte gelesen werden, kann der Priester entscheiden, alternativ kann auch nur eine der beiden Lesungen gewählt werden.
Die erste Lesung stammt aus dem AT, und berichtet vor allem von der Geschichte Gottes mit dem Volk Israel. Diese Teile der Bibel sind oft am weitesten von unserer heutigen Lebenswirklichkeit entfernt. Abraham, Isaak und Jakob, die Urväter und Protagonisten des ersten Teils des ATs, sind Nomaden, die mit ihren Herden im Land herumziehen. Sobald das Volk Israel in seinem eigenen Land dauerhaft siedelt, sind sie von Feinden umgeben, Krieg und Überfalle bilden eine ständige Bedrohungskulisse.
„Gott rettet“, so könnte man das AT auch zusammenfassen. Immer wieder geraten gläubige Juden, oder auch das ganze Volk Israel in Not, und wenn sie im Glauben an Gott bleiben, finden sie letztendlich Hilfe bei ihm. Doch es gibt auch immer wieder Rückschläge. Die Menschen wenden sich von Gott ab. Weil der Glaube nicht so leichtfällt, weil sie nach einfachen Wegen suchen, weil Druck von außen herrscht. Immer wieder wendet sich Gott an sein Volk, sendet Propheten mit seinem Wort, doch am Ende hören die Menschen nicht auf sie. So weisen einige der Propheten in die Zukunft, wenn Gott seinen endgültigen Retter senden wird.
Zwischengesang
Zwischen den beiden Lesungen wird ein Lied gesungen. Während heute etwas mehr Gestaltungsraum existiert, ist dies doch traditionell ein Psalmengesang. Die Psalmen selbst sind ein Teil des AT, gesammelte Lieder des Volkes Israel, einige davon werden auch den biblischen Königen David oder Salomo zugeschrieben. Die Psalmen haben verschiedene Themen, aber das Lob Gottes und die Bitte um seinen Segen stehen dabei im Mittelpunkt.
Die zweite Lesung
Zur zweiten Lesung erfolgt ein großer Zeitsprung. Nicht nur weil zwischen AT und NT ein gewisser zeitlicher Abstand besteht, sondern auch, weil der Anfang des Neuen Testaments, die vier Evangelien, die vom Leben Jesu berichten, übersprungen werden. Aus diesen wird separat als Zentrum des Wortgottesdienstes gelesen.
Somit bleiben noch drei Teile des NT für die Lesung über. Die Apostelgeschichte, die berichtet, was die Jünger Jesu nach seinem Tod und der Himmelfahrt tun, und wie die ersten christlichen Gemeinden sich bilden; die Offenbarung des Johannes, die in einer prophetischen Vision vom Ende der Zeiten berichtet, und die Briefe, die von den frühen Aposteln und Jüngern an verschiedene Gemeinden geschrieben wurden. Da es nur eine Apostelgeschichte und Offenbarung gibt, aber ganze 21 Briefe variabler Länge und Inhalts, ist die „typische“ zweite Lesung eine Brieflesung.
Diese Briefe wurden nicht geschrieben, um einfach Kontakt zu halten, meistens gab es in den betreffenden Gemeinden, die adressiert wurden, ein Problem, das der Autor des Briefes von fern zu beheben versucht. Somit liegt in diesen Texten die Grundlage der Theologie, der Lehre des Glaubens. Die Autoren dieser Briefe mögen Jesus nicht unbedingt alle selbst gekannt haben, (viele sind belegbar von Paulus von Tarsus verfasst), aber sie sind definitiv die Quellen, die am nächsten an ihm und seiner Lehre dran waren, viele der Briefe dürften somit auch älter als die Evangelien sein. Darum besitzen die Lehren, die in den Briefen weitergegeben werden, bis heute eine moralische Autorität im Glauben, die schwer zu übergehen ist.
Nach dem Abschluss jeder Lesung spricht der Lektor: „Wort des lebendigen Gottes“ und die Gemeinde antwortet: „Dank sei Gott.“ Dies mag seltsam wirken, wenn wir gerade einen Text gehört haben, in dem das Volk Israel sich von Gott abwendet, oder einen Brief hören durften, der nun mal sehr eindeutig von einem Menschen verfasst wurde. Aber bei der Formel geht es nicht darum, dass das Gesagte wortwörtlich ist, was Gott uns sagt: Es geht vielmehr darum, dass in den Worten der Bibel Gott zu uns kommen will. Die Lesungen lenken unseren Blick zu Gott, dem Vater, auch wenn der Weg zu ihm nicht gerade ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal
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