Das Gemeindeportal soll Ihnen nicht nur News und Textelemente präsentieren, wir möchten auch Möglichkeiten schaffen, die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Dazu heute: Schreibwerkstatt „Gebete formulieren“.
Die Form des Gebets
Das Gebet in der Gemeinschaft hat eine andere Form als das Gebet eines Einzelnen. Das klingt wie eine Binsenwahrheit, und doch scheint es im Konkretfall nicht leicht zu sein, je angemessen zu formulieren. Die einfachste Unterscheidung, ob es sich um ein Ich-Gebet oder ein Wir-Gebet handelt, zeigt zunächst nur ein äußerliches Merkmal an.
Blättert man im altüberlieferten Gebetbuch des Volkes Gottes, im Buch der Psalmen, begegnen einem beide Arten von Gebeten: Lieder und Klagen von Einzelnen ebenso wie etwa Lobgebete und Prozessionsgesänge der Gemeinde. Gebete, die ein Einzelner betet, sind nicht nur konkreter auf seine Situation bezogen, sie sind auch von seinen Gefühlen, den freudigen und den traurigen, geprägt – mehr, als Gebete der Gemeinschaft es sein können.
Im Gottesdienst der Gemeinde haben Gebete einzelner zunächst keinen Platz; sie wirken nicht nur de-platziert – sie sind es auch. Wenn einer stellvertretend für andere vorbetet, muss das Gebet Situation und Intention, Fragen und Bitten von allen aufgreifen. Klassische Gemeinschaftsgebete sind die Orationen der Liturgie, also Eröffnungsgebet und Dankgebet. Sie haben auch in den Wort-Gottes-Feiern ihren Platz.
Doch hier scheint ein Problem offenkundiger spürbar zu werden, nämlich das Problem der Sprache. Unsere Orationen sind aus dem Lateinischen übersetzt; sie tragen auch im Deutschen den strengen, gedrängten Stil des Lateinischen.
Darüber hinaus haben wir vergessen, dass sie eigentlich „nur“ die Zusammenfassung des vielfältigen Betens Einzelner sind. Der Zuruf „Lasset uns beten“ ist nicht nur eine Floskel. Nach dieser Aufforderung ist Stille geboten, damit tatsächlich jeder für sich beten kann und nicht der Vorbeter gleich fortfährt, bevor sein Aufruf von jedem Einzelnen überhaupt hat wahrgenommen werden können.
Wort-Gottes-Feiern könnten ein Ort sein, an dem die Intention, zum Gebet aufzurufen, neu ernst genommen und eingeübt wird. Der/die Gottesdienstleiter/-in sollte ganz bewusst (auch im Tonfall) innehalten und Zeit lassen zum Gebet.
Orationen
Die Grundstruktur der Orationen ist klar und immer gleich: Das Gebet richtet sich an Gott, den Vater. Die Gemeinde redet ihn an und preist ihn um seiner Taten und Wunder, seiner menschenfreundlichen Zuwendung willen. Sie trägt ihm vor, um was sie bittet.
Das Gebet endet, indem jene, die Jesus nachfolgen, sich auch auf ihn in ihrem Gebet berufen. Sie wenden sich also an den Vater durch den Sohn, der unser Bruder ist, und bitten im Heiligen Geist, das heißt von Gottes Geist geführt und gestärkt als solche, denen der Geist zugesagt und geschenkt ist.
Dieser „Gebetsrahmen“ (Anrede und Schluss) ist in manchen Orationen fast zum Schema geworden; dazwischen steht in knappen, oft etwas verschachtelten Sätzen der eigentliche Gebetstext. Wenn man sich solch einen Text in Ruhe anschaut, kann man entdecken, dass er meist sehr schön ist. Warum aber kommt so wenig davon rüber?
Wie auch immer Menschen früher zu hören imstande waren: Uns heute fällt es schwer, eine so gedrängte Sprache hörend nachzuvollziehen. Man könnte daher versuchen, Orationen zwar in ihrer strengen Form zu belassen, sie aber durch „Gedanken dazwischen“ sozusagen aufzulockern und so den Hörenden/Mitbetenden näherzubringen. Der/die Gottesdienstleiter/- in betet den Text des Eröffnungsgebets, die „Zwischengedanken“ spricht der/die Lektor/-in.
BOTSCHAFT Familie & Jugend
Gebete mit „privatem“ Charakter
Trotz des bisher Gesagten kann es im Gemeindegottesdienst auch Gebete mit „privatem“ Charakter geben. Der ideale Platz dafür ist die Kommunion-Meditation. Hier kann einer, stellvertretend für alle, als Einzelner ein Gebet vorsprechen, ein Gebet, das man niemals im Chor gemeinsam beten würde. Wenn einem ein – gutes – Gebet dennoch deplatziert vorkommt, dann eben, weil es am falschen Platz gebetet wird.
Regeln für das Gebeteschreiben
Wenn man Gebete selbst formuliert, mag als Grundregel gelten: So wenige Nebensätze wie möglich! Vor allem Relativsätze können in Gebeten eine Sperre zum Mitbeten sein: „O Gott, der du …“. Die Aussagen müssen in einem Atemzug als Einheit nachvollziehbar sein.
Man kann beim Mitbeten nicht warten, bis man – erst nach einem zwischengeschobenen Satz – weiß, worum man zum Beten aufgefordert wird. Es lohnt sich daher, bei vorgegebenen Gebeten lange Sätze aufzulösen, einen verschachtelten Satz in einfache Satzfolgen umzuformulieren. Gebetsstil ist Redestil, er darf kein Schreibstil sein!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Redationsteam
vom Gemeindeportal