In Japan hat man eine neue Idee, älteren, dementen Menschen einen Hauch neue Lebendigkeit zu bringen (ARD-Mittagsmagazin).
Das große Leuchten namens Daiki
Er ist erst vier Monate alt und schon ein Star. Sein Name ist Daiki, zu Deutsch: großes Leuchten. Er bringt, ohne es zu ahnen, Menschen eine neue Lebendigkeit, ein kleines Ostern sozusagen. Daiki sitzt in Japan auf dem Arm seiner Mutter. Die geht mit ihrem Sohn nach nebenan, in ein Seniorenheim. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner dort sind dement. Japan hat im Durchschnitt die älteste Bevölkerung der Welt. Aber auch Fantasie. Also versucht man neue Lebendigkeit.
Man lädt Mütter oder Väter aus der Nachbarschaft ein, mit ihren Babys auf dem Arm zu Besuch zu kommen ins Heim. So auch Daiki mit Mama. Und siehe da: Wenn die zwei kommen, geht ein Leuchten über das Gesicht der alten Damen und Herren. Daiki, also großes Leuchten, macht seinem Namen alle Ehre. Er sitzt auf dem Arm seiner Mutter und strahlt. Meistens. Selbst wenn er schlechte Laune hat oder weint, rührt er die Herzen der Alten. Eine Erinnerung ist in ihnen. Das Gesicht eines Kindes – und seine Gestimmtheit – vergisst man wohl nie.
Daiki und andere Kinder gelten im guten Sinne des Wortes als „Stimmungsaufheller“. Das sieht man den Gesichtern der alten Menschen an. In ihrer Seele geschieht etwas. Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Aber es scheint gut zu tun.
Begegnung zwischen den Generationen
Wenn der kleine Daiki guter Stimmung ist, lässt er sich von alten Damen und Herren auch mal über den Arm streicheln oder über die Wange. Manchmal zieht er Arm oder Gesicht zurück – an anderen Tagen genießt er das Streicheln. Er ist eben eigen, wie jeder Mensch. Und er scheint solche Momente zu genießen. Vielleicht fühlt er, dass er willkommen ist. Und den Alten etwas bringt: neue Lebendigkeit. Ein Gefühl dafür, was Leben ist.
Ein Leuchten, das bleibt
So bringen die Betreuer den Bewohnerinnen und Bewohnern, die zum Teil über hundert Jahre alt sind, etwas neues Leben in ihre Seele. Wie genau das gelingt, hat noch niemand erforscht – ist vielleicht auch nicht nötig. Man sieht es ja den Gesichtern an. Auch die Mutter von Daiki freut sich über die Aufmerksamkeit, die ihr vier Monate alter Sohn genießt mit seinen schwarzen Haaren und den großen Augen, die alles beobachten.
Wenn Menschen dement sind, sind es ihre Gefühle noch lange nicht. Empfindungen bleiben, auch wenn wir sie nicht in Worte fassen können. Das muss man auch nicht, wenn man die Bilder der Alten und Kinder sieht. Hier gibt es ein Einverständnis ohne Worte. In den meist leuchtenden Gesichtern fühlt man die Kraft des Schöpfers. Gott schuf den Menschen zu seinem Bild (1. Mose 1,27). Und Gott, dürfen wir vermuten, strahlt mit, wenn Menschen einander anlächeln.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Michael Becker
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